Petra Acker

Ein Waldmärchen


Die Geschichte vom Leben hinter der Mauer

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Es war einmal ein kleines Mädchen, das lebte am Rand eines großen Waldes allein mit seiner Mutter. Aber vor dem Wald war eine große Mauer und es hieß, daß diese Mauer die Menschen des Dorfes vor dem Wolf schützen sollte, der dort sein Unwesen trieb.
Da das kleine Mädchen aber ein sehr neugieriges Kind war, schlich sie eines Tages trotz aller Verbote ihrer Mutter heimlich in den Wald.
Die Sonne ging gerade unter und schickte ihre Strahlen durch die Bäume.

Sie stapfte so vor sich hin und sah zuerst einen Mistkäfer. "Wenn der Wolf so klein ist, dann habe ich keine Angst vor ihm", dachte sie, denn sie glaubte, es sei ein Wolf. Sie hatte nie einen Mistkäfer gesehen, da sie bisher nie im Wald war.
Als sie weiterkam, traf sie auf eine Schnecke. "Wenn der Wolf so langsam ist, dann habe ich keine Angst vor ihm", dachte sie, denn sie hatte nie zuvor Schnecken gesehen.
Als sie auf eine Spinne traf, dachte sie: "Wenn der Wolf so dünn ist, dann habe ich keine Angst vor ihm", und bei den Regenwürmern dachte sie, "Wenn der Wolf so weich ist, dann habe ich keine Angst vor ihm."
Allmählich wurde es Abend und das kleine Mädchen fand nicht mehr den Weg zurück nach Hause und sie wurde sehr müde und legte sich auf ein weiches Moosbett.
Plötzlich sah sie in der Dunkelheit sich etwas bewegen. Aus einer Höhle löste sich eine Gestalt und trat auf eine Lichtung.
Jetzt sah das Mädchen den Wolf in seiner ganzen Würde und Schönheit.
 
Dem Mädchen stockte der Atem, aber sie duckte sich hinter einer Wurzel und konnte von dem Tier nicht gesehen werden.
Der Gesang wurde lauter und wilder und auch die Bewegungen des Wolfes wurden heftiger und wilder. Das Mädchen verlor ganz seine Angst vor dem Wolf, denn er war so faszinierend anzuschauen.
Plötzlich, als der Wolf so sprang und sich drehte, verlor er das Gleichgewicht und kugelte einen kleinen Abhang hinunter. Das sah so drollig aus, daß das Mädchen laut lachen mußte. Der Wolf stutzte. Wer war da in seinem Wald?
Langsam ging er auf das Mädchen zu, das aus einer Mischung aus Scheu und Neugier zu ihm herüberspähte.
Der Wolf schnupperte in der Luft: ein fremder Geruch, aber nicht unsympathisch. Das Mädchen hielt dem Wolf ihre Hand entgegen und er verstand, daß sie ihm nichts Böses tun wollte.
Auch das Mädchen verlor langsam ihre Angst, denn der Wolf leckte ihr die Hand und schien garnicht so gefährlich zu sein, wie die Leute in ihrem Dorf immer behaupteten.
Das Mädchen entdeckte, daß es noch mehr Wölfe in dem Wald gab, denn in der langen Zeit, in der die Wölfe von den Menschen nicht gestört worden waren, konnten sie sich ungehindert vermehren. Sie beschloß, niemandem von den Wölfen zu erzählen, denn sie war ein kluges Mädchen und sie wußte, daß ihr niemand glauben würde, wie friedlich die Wölfe waren und daß die Leute in ihrer Angst kommen und die Wölfe töten würden.
Aber sie traf sich weiterhin mit "ihrem" Wolf und sie erzählte nur den klugen und verschwiegenen Kindern von ihm und manchmal nahm sie auch ein Kind mit in den Wald.
Als diese Kinder erwachsen waren, erklärten sie den Wald zum Wolfreservat.
Die Menschen des Dorfes beobachteten heimlich das Leben der Wölfe und verstanden nach und nach, daß die Wölfe liebenswerte Tiere waren, die nicht gefährlich waren, wenn man sie in Ruhe ließ.
So lebten die Wölfe friedlich neben dem Dorf der Menschen.
Die Menschen begannen, die Wölfe zu schützen vor sensationslüsternen Leuten, die einfach mit ihren Fotoapparaten kamen, weil sie sich mit Wolf fotografieren lassen wollten. Manche verstanden, daß es besser war, die Wölfe nicht zu stören und gingen freiwillig. Manche aber wurden ärgerlich, weil sie fanden, daß es ihr gutes Recht war, andere Lebewesen einfach zu stören.
 
Manche dachten sogar, sie würden als Helden gefeiert werden, wenn sie mit einem Wolfsfell nach Hause kamen und zogen mit Gewehren los, um einen Wolf zu erlegen. Aber zum Glück waren die Leute des Dorfes auf der Hut und passten gut auf, daß ihren Wölfen kein Leid angetan wurde.
Tja, liebe Leute, es gibt sie doch noch, die Leute, die ihre Zeit nicht vor dem Fernseher und in Kaufhäusern verbringen, sondern die sich darum kümmern, daß die Lebewesen dieser Erde geschützt werden und die sich dafür sogar selbst in Gefahr begeben. Solche Helden finde ich wirklich bewundernswert und es kann garnicht genug davon geben.
Wenn nicht demnächst eine ganze Generation solcher Helden heranwächst, dann sehe ich irgendwie schwarz für die Wölfe und für die Tiere und Pflanzen und dann auch für die Menschen. Denn ohne Pflanzen und Tiere sähe alles doch irgendwie ziemlich trist aus, findet ihr nicht?













Petra Acker

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